Sowohl in privaten als auch in beruflichen Situationen und im Bildungskontext kommunizieren wir oft in Gruppen oder anderen geräuschvollen Umgebungen. Auch für Kinder trifft dies in Klassenräumen, im Kindergarten oder auf Spielplätzen zu. Autistische Personen berichten oft über Schwierigkeiten beim Wahrnehmen von Sprache in Situationen, in denen Hintergrundgeräusche oder gleichzeitige Sprache vorhanden sind. Die erfahrenen Beeinträchtigungen bei der Sprachwahrnehmung im Lärm können Schwierigkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion verschärfen.
Die Fähigkeit, Sprache im Lärm oder bei gleichzeitiger Sprache wahrzunehmen, erfordert die Kompetenz, selektiv auf das Ziel-Sprachsignal in einer komplexen auditiven Szene zu achten und es herauszufiltern. Hier werden sowohl Bottom-up- (perzeptuelle) als auch Top-down- (kognitive) Prozesse genutzt, um irrelevante Geräusche auszublenden.
Die vorhandene Literatur hat gezeigt, dass bei Situationen, in denen die (auditive) Wahrnehmung unter experimentellen Bedingungen beeinträchtigt ist, die kognitiven Fähigkeiten einer Person die reduzierte sensorische Eingabe kompensieren können. Es liegt nahe, dass ähnliche kognitive kompensatorische Strategien möglicherweise auf die Wahrnehmung von Sprache im Lärm anwendbar sind. Es scheint, dass kognitive Prozesse eine entscheidende Rolle bei der Sprachwahrnehmung im Störschall spielen und als kompensatorischer Mechanismus für Personen dienen können, die auditiven Herausforderungen gegenüberstehen.
Callejo & Boets (2023) aus Belgien haben dieses Thema in einem systematischen Review genauer untersucht. Die Verarbeitung von Sprache (Wörtern und Sätzen) in einem gleichbleibenden energetischen Störsignal scheint bei älteren autistischen Jugendlichen und Erwachsenen besser zu funktionieren als bei autistischen Kindern und jungen Jugendlichen. Insbesondere bei denen mit niedrigem gemessenem Intelligenzquotient scheint diese Fähigkeit besonders beeinträchtigt zu sein. In Bezug auf die Verarbeitung von Sprache in konkurrierender Sprache scheinen sowohl Kinder als auch Erwachsene im Autismus-Spektrum im Vergleich zu ihren neurotypischen Pendants weniger von klassischen unterstützenden Hinweisen zu profitieren (z.B. unterschiedliche Sprecheridentität oder Sprecherposition). Dies deutet im Wesentlichen auf eine Wahrnehmung hin, die weniger von Kontextinformationen beeinflusst wird als bei neurotypischen Personen.
Der Nutzen, der aus zusätzlichen visuellen Informationen (z.B. Artikulationsbewegungen) gewonnen wird, scheint mit der verbalen Intelligenz korreliert zu sein.
Die Autoren schließen, dass Verarbeitungsdefizite eine konsistente und kritische Eigenschaft im Autismus-Spektrum darstellen. Es besteht daher ein Bedarf an erhöhtem Bewusstsein bei Eltern, Pädagogen, Therapeuten, Arbeitgebern, Lehrern und anderen, die mit Personen im Autismus-Spektrum interagieren. Ein erhöhtes Bewusstsein für diese Schwierigkeit kann ein inklusiveres und unterstützendes Umfeld fördern, das die spezifischen Herausforderungen anerkennt, denen autistische Personen in geräuschvollen sozialen Umgebungen gegenüberstehen.
Es ist anzumerken, dass die Mehrheit der Forschung zur Bewältigung von Einschränkungen im Autismus-Spektrum hauptsächlich auf jüngere Altersgruppen abzielt. Es sollten mehr Untersuchungen zu Interventionen durchgeführt werden, die nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Jugendliche und Erwachsene zugeschnitten sind. Hierdurch kann dazu beigetragen werden, die sozio-kommunikativen Fähigkeiten und die allgemeine Lebensqualität von Personen im Autismus-Spektrum zu verbessern.
Die Studie zu "Autismus: Auditive Wahrnehmung" finden Sie hier: LINK
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