Autismus zur Sprache bringen: Erster Fachtag “Autismus & Sprache”

Kinder mit Autismus haben ein „Image-Problem“. Ihre Schwierigkeiten bei der sozialen Kontaktaufnahme und Kommunikation werden von der Gesellschaft oft als „schwieriger Charakter“ oder „fehlende Erziehung“ missverstanden. Hinzu kommen häufig Defizite in der Sprachentwicklung. Die Patienten liegen in ihrer sprachlichen Entwicklung oft weit zurück. Um diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen, gründete Logopädin Kristin Snippe 2013 den logopädischen Arbeitskreis „Autismus & Sprache“, der am 29. November in Berlin seinen ersten interdisziplinären Fachtag veranstaltete.

Fachtagbild

„Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen leben oft wie abgetrennt von unserer Welt – und wir von ihrer. Kommunikative Fähigkeiten sind für sie besonders wichtig, um Kontakt in die Welt anderer Kinder zu erreichen“, erklärt Logopädin Kristin Snippe, die Leiterin des Arbeitskreises. „Konventionelle logopädische Therapie-Ansätze erzielen häufig nicht die nötigen Erfolge. Aus diesem Grund haben wir den Arbeitskreis gegründet und präsentieren auf dem Fachtag unterschiedliche Methoden. Die Kinder müssen den Weg in die Sprache finden – das ist wichtig.“

Logopädin Ulrike Funke (Hirschberg) stellte in Berlin ihren ganzheitlichen Therapieansatz „Komm!ASS“ vor, den sie für Kinder mit Autismus und geistiger Behinderung ohne verbale Sprache entwickelt hat. Die Kinder werden hier in die intensive Kommunikation und spontane lebendige Interaktionen geführt – nicht die Reduktion von Reizen sondern eine temporeiche Interaktion mit ständigem Modalitätenwechsel (Hören, Sehen, Fühlen) steht hier im Vordergrund. Julia Klenner (Hannover) präsentierte die Ergebnisse ihrer Bachelorarbeit, für die sie den „Komm!ASS“-Ansatz wissenschaftlich untersucht hatte. Besonders die Aspekte der körpernahen Führung der Kinder und der Einsatz von Gebärden stellte sie dabei in den Mittelpunkt.

Ebenfalls auf körpernahe Interaktion basiert der „Theraplay“-Ansatz, den die Kolleginnen Barbara Stroppe und Karin Block (Potsdam) vorstellten. Jedoch liegt der Fokus dieser direktiven Spieltherapie mehr auf geplanten Strukturen und ritualisierten Spielen. Dabei begeisterten die Referentinnen die Teilnehmerinnen damit, dass sie die entstehende Interaktionsfreude in praktischen Übungen erfahrbar machten.

Deniz Döhler (Berlin) riss das Publikum enthusiastisch mit in die Welt der Improvisation. Seine Elterninitiative „AuJa!“ nutzt Elemente des Impro-Theaters, um „Spielräume“ für Interaktion zu schaffen, die vom Kind ausgeht und seine autistischen Besonderheiten annimmt und wertschätzt. Anke Lüth, Logopädin und Lehrerin aus Fürstenwalde schilderte zuletzt sehr anschaulich den Alltag einer Autismus-Klasse und die Herausforderungen, welche die Besonderheiten autismus-spezifischer Sprachverständnisprobleme mit sich bringen.

Der zweite Fachtag “Autismus & Sprache” wird für Herbst 2016 geplant.

 

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